Sitzen bleiben
Sitzen bleiben – eine Belastungsprobe für Schüler und Eltern gleichermaßen. Doch wann ist überhaupt akut die Versetzung gefährdet und was sollte ich als Elternteil tun? Wir gehen auf Richtlinien ein, lassen auch das Thema Nachprüfung, Halbjahreszeugnis und Blauer Brief nicht außer Acht und zeigen, wie Sie Ihr Kind in dieser schwierigen Situation unterstützen.
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Zwei mangelhafte Leistungen ausgleichbar
Notenverbesserung durch Nachprüfung
In Sekundarstufe 2 nur freiwillig
Vor Schulwechsel maximal zwei mal wiederholen
Halbjahreszeugnis erster Hinweis
Blauer Brief weist auf Verschlechterung hin
Konstruktive Kommunikation statt Bestrafung
Ziel für das kommende Schuljahr stecken
Zwei mangelhafte Leistungen können ausgeglichen werden
Jedes Bundesland hat seine eigenen Versetzungsbestimmungen. Die genauen Regelungen entnehmen Sie den jeweiligen Schulgesetzen. Als Beispiel führen wir hier die Richtlinien in der Sekundarstufe 1 des Gymnasiums in NRW auf:
Grundsätzlich werden die einzelnen Schulfächer in Lang- und Kurzfächer (früher: Haupt- und Nebenfächer) unterteilt. Langfächer sind Deutsch, Mathematik, die erste und teilweise auch die zweite Fremdsprache, Kurzfächer unter anderem die Naturwissenschaften, Musik, Kunst, Politik und Sport.
Dabei gilt, dass bis zu einer mangelhaften Leistung (Note 5) in Langfächern durch eine mindestens befriedigende Leistung in einem anderen Langfach oder durch eine Nachprüfung ausgeglichen werden kann. Bei den Kurzfächern können bis zu zwei nicht ausreichende Leistungen (darunter eine mangelhaft) durch eine mindestens befriedigende Leistungen in anderen Fächern und/oder eine Nachprüfung ausgeglichen werden.
Alles, was darüber hinausgeht, bedeutet, dass Schüler direkt aufgrund Ihrer Noten sitzen bleiben müssen. Ist sowohl in den Lang- als auch in den Kurzfächern mindestens eine Note nicht ausreichend ist eine Versetzung ebenfalls ausgeschlossen. (Quelle: Schulministerium NRW; Stand 2018) (Stand 2024)
Notenverbesserung durch Nachprüfung möglich
Final wird über die Versetzung jedes einzelnen Schülers durch das Lehrpersonal in der jährlichen Zeugnis- bzw. Versetzungskonferenz entschieden – wie auch, ob im Einzelfall noch eine Verbesserung durch eine Nachprüfung zu erwarten ist oder eben nicht.
In der Nachprüfung, die meist zum Ende der Sommerferien ansteht, kann bei entsprechender Leistung eine Fünf (mangelhaft) noch in eine Vier (ausreichend) geändert werden, um das Klassenziel zu erreichen.
Die Nachprüfung ist keine Pflicht, sondern freiwillig. Sie ist immer dann sinnvoll, wenn Schüler in den Fächern, durch die die Versetzung gefährdet ist, „auf der Kippe stehen“ und eine bessere Leistung im Zuge der Zusatzprüfung zu erwarten ist. Die Anmeldung müssen Sie als Eltern nach Erhalt des Schulzeugnisses übernehmen.
Sollte Ihr Kind nicht in die Nachprüfung gehen oder sich durch diese nicht verbessern können, muss die Jahrgangsstufe nach den Ferien wiederholt werden.
Hinweis:
In der Praxis eher selten, aber auch möglich ist das Vorrücken auf Probe. Hierbei wird Schülern trotz unzureichender Leistung erlaubt, die nächste Stufe zu besuchen. Nach dem 1. Halbjahr muss eine Verbesserung der Noten eintreffen, ansonsten erfolgt eine Zurückstufung. Diese Möglichkeit wird in der Regel nur Schülern gegeben, deren schlechte Noten nicht durch eigenes Verschulden zustande kamen, z. B. bei längerer Krankheit.
Sitzen bleiben in der Sekundarstufe 2 nur freiwillig
In der Sekundarstufe 2 des Gymnasiums, je nach Bundesland Jahrgangsstufe 11 und 12 bzw. 12 und 13, wählen Schüler Leistungskurse – eine Unterscheidung in Lang- und Kurzfächer wird nicht mehr vorgenommen. Die Benotung der Fächer erfolgt nun anhand von Punkten (15 Punkte entsprechen der Note „1+“, 1 Punkt einer „6“).
In der gymnasialen Oberstufe (Sek. 2) werden Schüler automatisch in die nächste Jahrgangsstufe versetzt – egal, wie schlecht oder gut die Benotung auf dem Jahreszeugnis war.
Jedoch ist die Zulassung zu den Abiturprüfungen an die bis dahin erreichten Punkte gekoppelt: Hat Ihr Kind also nur wenige Punkte erreicht und das Abitur ist dadurch gefährdet, besteht die Möglichkeit, freiwillig die Jahrgangsstufe 11, 12 oder 13 zu wiederholen. Insgesamt ist dies in der Sekundarstufe 2 nur einmal möglich.
Hinweis:
Hamburg ist derzeitig das einzige Bundesland, in dem das Sitzenbleiben von der ersten bis einschließlich der zehnten Klasse nicht mehr aktiv als Maßnahme für schlechte Schulleistungen praktiziert wird. Eine freiwillige Wiederholung einer Jahrgangsstufe ist aber auch dort noch immer möglich (Stand 2018).
Maximal zwei Mal wiederholen vor Schulwechsel
Länderübergreifend ist es so geregelt, dass ein Schulkind eine Jahrgangsstufe nur ein einziges Mal wiederholen darf, um die Leistungen zu verbessern und das Klassenziel in allen Fächern zu erreichen.
In der gesamten Schulzeit kann Ihr Kind maximal zweimal sitzen bleiben, bevor es die jeweilige Schule verlassen muss – ausgenommen ist dabei natürlich die Grundschule, denn ein Wechsel an eine andere Schulform ist von der ersten bis zur vierten Klasse nicht möglich.
Ein Schulwechsel kann auch Sinn machen, wenn Sie und der Klassenlehrer das Gefühl haben, dass Ihr Kind trotz intensiven Lernens den Unterrichtsinhalten nicht folgen kann und überfordert wirkt – unabhängig davon, ob und wie oft Ihr Kind in der Schule schon sitzen geblieben ist.
Halbjahreszeugnis erster Hinweis einer Versetzungsgefährdung
Einen ersten Hinweis darauf, dass die schulischen Leistungen für eine Versetzung in die nächste Stufe nicht ausreichen könnten, erhalten Sie im Zuge des Halbjahreszeugnisses. Weist dieses eine oder mehrere schlechte Noten auf, werden Sie im Dokument durch den schriftlichen Hinweis „Versetzung gefährdet“ auf die Defizite aufmerksam gemacht.
Das Sitzen bleiben zum Halbjahr direkt ist nur im Falle eines vorherigen Vorrückens auf Probe möglich – unabhängig davon, wie das Zeugnis ausfällt.
Blauer Brief weist auf Verschlechterung hin
Ist der Schüler bei einem ausreichend guten Halbjahreszeugnis erst im Laufe des zweiten Halbjahres versetzungsgefährdet, sind die Schulen angewiesen, Sie als Erziehungsberechtigten in Form eines Blauen Briefes zu informieren. Diese Benachrichtigung erfolgt alternativ zu einem Vermerk im Halbjahreszeugnis, nicht zusätzlich.
Ein Blauer Brief wird von der Schule in der Regel um die Osterferien herum verschickt, teilweise aber auch später: So kann in Hessen eine entsprechende Mitteilung noch spätestens zwei Monate vor der Ausgabe des Jahreszeugnisses erfolgen.
Volljährige Schüler werden nicht mehr schriftlich verwarnt.
Wichtig:
Generell gilt übrigens nicht, dass eine Versetzung auf jeden Fall gegeben ist, wenn im Vorfeld keine schriftliche Benachrichtigung durch die Schule erfolgt ist. Ihr Kind kann also auch ohne blauen Brief sitzen bleiben – egal, ob an einer Grundschule, Realschule, dem Gymnasium oder einer anderen Schulform.
Konstruktive Kommunikation statt Bestrafung
Wenn das eigene Kind schließlich sitzen geblieben ist, steht die Frage im Raum, was jetzt zu tun ist. Wichtig ist, dass Sie nicht umgehend mit Bestrafung oder Druck reagieren. Damit ist Ihrem Kind nämlich keineswegs geholfen.
Bedenken Sie – trotz aller persönlicher Enttäuschung –, dass die Situation für Ihr Kind alles andere als einfach ist. Das Sitzen bleiben wird von Schülern als persönliches Scheitern wahrgenommen, das einhergeht mit dem Verlust der alten Klassengemeinschaft mit oft vielen Freunden.
Strahlen Sie stattdessen Ruhe und Gelassenheit aus. Lassen Sie das Zeugnis vielleicht erst einmal einige Wochen sacken, und suchen Sie dann das Gespräch. Unter Umständen stellt sich heraus, dass Ihr Kind generell überfordert ist und ein Schulwechsel gar infrage kommt.
Versuchen Sie auch herauszufinden, wie es soweit kommen konnte. Ob es vielleicht am Lehrer oder an Mobbing durch Mitschüler lag, dass es sich in der Klasse unwohl gefühlt hat und deshalb die Leistung so abgefallen ist bzw. sich nie bessern konnte.
Gemeinsame Ziele für das kommende Schuljahr stecken
Hat sich der erste Schock gelegt, sollten Sie gemeinsam den Blick auf das kommende Schuljahr lenken – als Zeitpunkt bietet sich die erste Woche nach den Sommerferien dafür an.
Stecken Sie sich gemeinsame Ziele, ruhig auch kurzfristige wie z. B. eine gute Leistung in der ersten Klassenarbeit in einem schwachen Fach.
Unterstützen Sie Ihr Kind bei der Erreichung der vereinbarten Ziele, indem Sie mit ihm Hausaufgaben machen, Vokabeln lernen oder sich regelmäßig die Schulbücher und -hefte von Ihrem Kind zeigen lassen und damit echtes Interesse an den Lerninhalten zeigen. Auch die Hilfe eines privaten Nachhilfelehrers ist als zusätzliche Unterstützung sinnvoll.
Dazu gehört auch, dass Sie auch für das kommende Schuljahr feste Lernzeiten vereinbaren, um eine gewisse Kontinuität und Struktur in den gemeinsamen Alltag mit direktem Bezug zur Schule zu bringen.
Und vergessen Sie nicht, für ein erreichtes Ziel eine Belohnung in Aussicht zu stellen. Versprechen Sie beispielsweise einen Kinobesuch für die Note Drei in einer schwierigen Klausur – das motiviert ungemein.
Sitzen bleiben: Pro und Contra
Nun bleibt eigentlich nur noch die Frage, was das Sitzen bleiben eigentlich bringt. Pro und Contra werfen nämlich immer wieder Diskussionen auf. Hier einige Argumente für und gegen die Ehrenrunde:
Pro | Contra |
---|---|
Die Klassenwiederholung ist ein Warnschuss, der Schüler zu intensiverem Lernen anstachelt … | … oder durch die Frustration über das Scheitern und Ausschluss aus der alten Klasse komplett demotiviert |
Lehrer können den Leistungsstand am besten beurteilen und einschätzen, ob Schüler bereit für die nächste Stufe sind … | … die Entscheidung über ein komplettes Lebensjahr eines Kindes/Jugendlichen sollte nicht nur von der Benotung des Lehrpersonals abhängig gemacht werden |
Schülern wird Zeit gegeben, die Defizite aufzuarbeiten – ohne erhöhten Leistungsdruck | Alle Fächer müssen wiederholt werden, auch die mit guten Noten. Förderunterricht in einzelnen Fächern wäre sinnvoller |
Das Zeugnis hat eine höhere Wertigkeit: Qualifikation für die nächste Stufe anstatt reiner Lernstandserhebung | Das Sitzen bleiben verursacht schlichtweg zu hohe Kosten |
Hinweis:
In Finnland, immerhin regelmäßig an der Spitzenreiter der PISA-Studie, können Schüler nur in absoluten Ausnahmefällen sitzen bleiben. Hier findet eine intensive Einzelförderung durch die Schule, auch über den regulären Unterricht hinaus, statt.
Qualifizierte Nachhilfe bei JOBRUF finden
Egal, ob bislang nur die Versetzung gefährdet oder Ihr Kind bereits sitzen geblieben ist – zusätzliche Nachhilfe erhöht den Lernerfolg und kann Sie entlasten, wenn Sie selbst nicht die Möglichkeit haben zu helfen.
Qualifizierte studentische Nachhilfelehrer finden Sie bei JOBRUF. Unsere Studenten sind flexibel und können, aufgrund der zeitlichen Nähe zur eigenen Schulzeit, Ihr Kind sofort unterstützen. Geben Sie noch heute kostenlos eine Anzeige auf, und treten Sie mit interessanten Bewerbern in Kontakt!
Die wichtigsten Infos in der Zusammenfassung:
- Versetzungsregelungen je nach Bundesland abweichend
- Zeugniskonferenz entscheidet über die Versetzung
- Durch Nachprüfung Noten verbessern
- In Sek. 2 Versetzung immer automatisch
- Drei Mal Sitzen bleiben gleich Schulwechsel
- Warnungen durch Halbjahreszeugnis und Blauen Brief
- Als Eltern Verständnis zeigen und gemeinsame Ziele setzen
- Pro: Motivierender Warnschuss, Lehrer Experten, Defizite ohne Leistungsdruck aufarbeiten, Zeugnis erhält Wertigkeit
- Contra: Frustrierendes Erlebnis, Lehrer mit hoher Entscheidungsgewalt, auch gute Fächer werden wiederholt, hohe Kosten
Bildquellen (v.o.n.u.):
© "These Are Not The Droids You Are Looking For" by TheeErin is licensed under CC BY-SA 2.0 (bearbeitet)
© Dr. Klaus-Uwe Gerhardt/PIXELIO
© "homework" by Robert Couse-Baker is licensed under CC BY 2.0
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Überarbeitet am: 20.08.2024